Tony Cragg – Holzkristall (2000)

Tony Cragg, geb. 1949 in Liverpool, lebt in Wuppertal.

Aus dem industriellen Holzwerkstoff »Kerto« wurden nach Zeichnungen des Künstlers 46 unterschiedliche Scheiben herausgesägt, die zu einem Turm übereinandergestapelt, verschraubt, geschliffen und lackiert, wie ein um sich selbst rotierendes menschliches Profil wirken. Eine frei stehende Arbeit, die sich beim Herumwandern ständig verändert, die umgangen und immer wieder neu entdeckt sein möchte.

Craggs Beitrag versteht sich als individuelle Transformation weiträumiger landschaftlicher Strukturen. Die Skulptur steht auf dem Gelände eines ehemaligen Freibads am Rande des Dorfes Tewel. Das Schwimmbecken ist heute ein Biotop, das Planschbecken ein Grillplatz. Über den Mehlandsbach hinweg blickt man in die Wiesen und Felder. Auch wenn die Skulptur formal eher Distanz zum Ort ihrer Präsentation sucht, ist die Entscheidung des Künstlers für diesen Platz aufschlußreich. An dieser Stelle des Übergangs von Dorf und Landschaft verschwimmen die Grenzen von geschaffener Natur und gewachsener Kulturlandschaft.

In seinen Arbeiten geht es Tony Cragg darum, in der Kunst Dinge hervor zu bringen, »die weder in der Natur noch in unserer funktionalen Welt existieren« (Cragg), die aber seine Empfindungen gegenüber der Welt und der eigenen Existenz widerspiegeln.

Nachtrag: Fünfzehn Jahre nach ihrer Errichtung hatten sich tiefe Spalten und Risse in der Holzstruktur der Skulptur gebildet. Nach einem langwierigen Trocknungsprozess konnte die Oberfläche wieder geschlossen und die Skulptur in Abstimmung mit dem Künstler neu beschichtet werden. Im Mai 2017 wurde die sanierte Skulptur bei einem Dorffest in Tewel willkommen geheißen.

Katalog: Tony Cragg, Holzkristall/Woodcrystal. Texte: C. Herstatt, L. Biggs, 2000, 66 S. € 20 / Mitgl. € 15

Mark Dion – Springhornhof Institut für Paläolithische Archäologie (2009)

Mark Dion, geb. 1961, lebt in Pennsylvania und New York, USA.

Das „Springhornhof Institut für Paläolithische Archäologie“ ist eine in­terdisziplinäre Installation des Künstlers Mark Dion. Ausgangspunkt ist eine Sammlung steinzeitli­cher Funde, die der begeisterte Hobbyarchäologe Wilm Falazik, der Anfang der sechziger Jahre eine Galerie auf dem Springhornhof eröffnete, in und um Neuenkirchen zusammengetragen hat.

Auf drei Etagen des historischen Treppenspeichers installiert Dion prähistorische Artefakte, archäologisches Handwerkszeug, Fundstücke, Textfragmente und ein Diorama samt zotteligem Mammut zu einer opulenten Gesamtinszenierung, die wissenschaftliche Prinzipien, persönliche Sammelleidenschaft, künstlerische Sichtweisen und Klischeebilder miteinander verquickt.

Mark Dion befasst sich in seinen überbordenden Rauminstallationen mit unserem Umgang mit der Natur und ihrer Repräsentation in Wissenschaft und Alltagswelt, sowie mit den komplexen Strukturen einer Geschichtsschrei­bung, die durch Objekte entsteht.

Elmgreen & Dragset – Park für unerwünschte Skulpturen (2003)

Ingar Dragset, geb. 1969 in Trondheim/N, lebt in Berlin.
Michael Elmgreen, geb. 1961 in Kopenhagen/DK, lebt in Berlin.

Das Künstlerpaar Elmgreen & Dragset schafft mitten im Dorf Tewel einen Freiraum für Außenskulpturen, in dem die gängigen Entscheidungs- und Bewertungskriterien über Kunst im Öffentlichen Raum außer Kraft gesetzt sind. Künstler und Besitzer von Außenskulpturen, die aus den unterschiedlichsten Gründen keinen geeigneten Standort oder Lagerplatz zur Verfügung haben, können Werke zum „Park für unerwünschte Skulpturen“ beitragen. Jüngster Zugang ist eine Bodenskulptur „Fathers Garden“ des amerikanischen Konzeptkünstlers Vito Acconci aus der Schweizer UBS Art Collection.

Katalog: OUTLOOK. Landschaftsbezogene Kunstprojekte in der Lüneburger Heide. Rupprecht Matthies, Peter Pommerer, Anna Gudjonsdottir, Michael Asher, Job Koelewijn, Stefan Kern, Elmgreen & Dragset. Text: von Raimar Stange, Ralf Christofori, Belinda Grace Gardner, Lorenzo Benedetti, Eva Linhart, Stefanie Sembill, Dirck Möllmann, Bettina v. Dziembowski, revolver – Archiv für aktuelle Kunst, 2005. 66 S. € 20 / Mitgl. € 15

Stefan Dornbusch – Zimmer im Freien/Die Blaue Insel (2011)

Ein Zimmer im Freien zu haben, das ist zumindest an warmen Sommertagen eine verlockende Vorstellung. Warum nicht zumindest die Wohnzimmeraktivitäten des gemütlichen Beisammen-sitzens unter den blauen Himmel oder das sternenklare Firmament verlegen?

Am Ortsrand der Gemeinde Drögenbostel hat der 1963 in Würzburg geborene, heute in Berlin lebende Künstler und Architekt Stefan Dornbusch seine Vision des Freiluftwohnens realisiert. Unmittelbar an der Landstraße zwischen Neuenkirchen und Visselhövede lädt Dornbuschs Installation „Zimmer im Freien/Blaue Insel“ (2011) dazu ein, sich auf den auf einer Holzplattform bereitgestellten einheitlich blau gestrichenen Bänken und Stühlen niederzulassen. Blumenschmuck in Form von Stiefmütterchen in einer Waschbetonschale ist ebenso vorhanden wie ein imposanter Wacholder, der sich im Advent bei Bedarf auch in einen Ersatztannenbaum umwandeln ließe.

Bei einbrechender Dunkelheit sorgt eine standardmäßige Straßenlaterne für angenehme Beleuchtung. Und sogar ein „Sofabild“ ist vorhanden. Angebracht an einer vollverzinkten Metallstange zeigt die Großfotografie genau den Naturausschnitt, den sie auch verdeckt. Die Natur und ihre Repräsentation verschmelzen hier miteinander. So weit, so gut. Wäre da nicht dieser Hochsitz, der der zunächst so freundlich wirkenden Installation eine gewisse gesellschaftskritische Brisanz verleiht. Das kleinbürgerliche Idyll will offenbar gegen Eindringlinge von außen verteidigt sein.

Tatsächlich fiel Stefan Dornbusch bei seiner Recherche in der Region auf, dass die Landschaft von Hochständen der Jäger ebenso geprägt ist wie von militärischen Radaranlagen. Und beobachtet wird auch im privaten Umfeld: Nachbarn, Fremde und Besucher geraten ins Visier derjenigen, die sich in ihrer mitunter engstirnigen Inselhaftigkeit eingerichtet haben. Was diese zunächst so leichtfüßig daherkommende Arbeit am Ende anprangert, ist die in der deutschen Provinz verbreitete Mentalität, eine sich scheinbar selbst genügende womöglich aber längst fragile Wir-Gemeinschaft durch die Observation und Ausgrenzung Außen-stehender nach innen hin zu stabilisieren.

Ulrich Eller – Hörstein (1995)

Ulrich Eller, geb. 1953 in Leverkusen, lebt in Hannover.

Auf dem Gelände des Schäferhofs, Heimat der Heidschnuckenherde und einer der touristischen Anziehungspunkte Neuenkirchens, platzierte Ulrich Eller seinen Findling. Erst in Hörweite gibt sich der Stein als künstlerischer Eingriff in der Landschaft zu erkennen.

Der Stein ist waagerecht in zwei Hälften geteilt, die mit Millimeterabstand wieder aufeinandergesetzt wurden. Aus dem umlaufenden Spalt dringen permanent scharrende, kratzende Geräusche. Sie entstanden während des Aufschneidens und Ausfräsens des Steins, wurden vom Künstler akustisch aufgezeichnet und zusammen mit anderen Alltagsgeräuschen elektronisch zu einer Komposition verarbeitet.

»Der mit Hilfe der Geräusche in die Zeit zurückgeholte Findling, der sonst alle Qualitätsmerkmale menschlicher Ewigkeitsvorstellungen besetzt, wird seines enormen Gewichts scheinbar entledigt, er wird ganz Gegenwart und damit jeglicher Wahrnehmungskonditionierung beraubt. In diesem Sinne wird er Naturdenkmal.«

Ulrich Eller

Katalog: Ulrich Eller. Hörstein. Text: F. Barth, H. Hellinger, 1995, 64 S. € 10 / Mitgl. € 7,50

Text von F. Barth

Mic Enneper – Steinlawine (1978)

Mic Enneper, geb. 1950 in Unna, lebt in Köln.

In einer stillgelegten Kiesgrube wurde ein Wall aus Steinen über die Steilkante geschoben. Bei der Aktion handelte es sich um eine Art künstlerischen Modellversuch über die langanhaltenden Prozesse, die diese Landschaft geformt haben: Eiszeitbewegungen und menschliche Arbeit.

Symposion „Zwei Steine sind nie gleich“ 1978

Text von A. Vowinckel

Harald Finke – Dialog (1986)

Harald Finke, geb. 1941 in Kiel, lebt in Hamburg.

Die Hülle aus Eisenstäben ist gerade groß genug für einen Menschen. Man steht darin wie in einem hohlen Baum. Der eingeschränkte Blick fällt auf die Eiche gegenüber. Harald Finkes Beitrag „Dialog“ fordert zu etwas auf, das über die gewohnte menschliche Vorstellungskraft hinausgeht: Ein Zwiegespräch von Mensch und Pflanze.

Katalog: Harald Finke, Carl Vetter. Dialog. Texte: L. Romain, H. Finke, H. R. Leppien, 1986, 102 S. € 6 / Mitgl. € 5

Text von L. Romain

Weitere Arbeit aus dem Symposium „Dialog“

Nikolaus Gerhart – Gegen-Steine (1982)

Nikolaus Gerhart, geb. 1944, lebt in Hechendorf und München.

Eine langgestreckte Reihe gleichgroßer Findlinge steht zwischen Straße und Feld. Parallel verläuft ein exakter Einschnitt im Asphalt. Eine alltägliche räumliche Situation wird sichtbar gemacht und neu strukturiert.

Katalog: Nikolaus Gerhart, HAWOLI, Gegen-Steine. Text: M. Fehr, 1982, 112 S. € 6 / Mitgl. € 5

Tue Greenfort – Vitalismus Mechanismus (2015)

Unter dem Titel „Vitalismus Mechanismus“ präsentiert der 1973 im dänischen Holbaek geborene, heute in Berlin lebende, Künstler eine dreiteilige Arbeit, die so unterschiedliche Themen wie Rohstoffkreisläufe, naturgerechte Lebensmittelproduktion und Industrialisierung der Landwirtschaft einer künstlerischen Recherche und Inszenierung unterzieht.

Zwei Teile der Arbeit befindet sich im Außenraum. Zwei im Sturm umgestürzte Kiefern und eine Pappel hat Greenfort mit der Brut essbarer Pilze geimpft. Die Idee dahinter: Im Laufe der nächsten 15 bis 20 Jahre werden sich die Stämme auf natürliche Art zersetzen. Solange aber dienen sie für alle möglichen Organismen als Nährboden, darunter auch die vom Künstler ausgewählten Kulturpilze. Die ortsnahe Lage am Waldrand bietet Betrachtern die Gelegenheit diesem Prozess beizuwohnen und durch den Verzehr der schmackhaften Zuchtpilze sogar Teil davon zu werden.

Dem natürlichen Kreislauf des Werdens und Vergehens in der Natur stellt Greenfort ein künstliches Wachstumsexperiment gegenüber. Im Zentrum einer zu einem neutralen, achteckigen Ausstellungsraum umfunktionierten Scheune steht ein brunnenartiger Edelstahlbehälter mit einer darüberhängenden Baumwurzel. Aus Düsen wird die Wurzel mit Harnstofflösung benetzt. Die sich mit der Zeit ausformenden Kristalle lassen ein bizarr geformtes Gebilde entstehen lassen. So schön und faszinierend die Arbeit auf den ersten Blick wirkt, so schaurig und desillusionierend ist sie zugleich. Natürlicher Harnstoff könnte aus dem Urin von Menschen und Tieren gewonnen werden. Doch das reicht keineswegs aus, um den enormen Hunger der Agrarindustrie nach ökologisch umstrittenem Kunstdünger aus synthetisch produziertem Harnstoff, auch Urea genannt, zu stillen. Ein Stapel handelsüblicher Urea-Säcke im Ausstellungsraum weist darauf hin.

Ebenso veranschaulichen Fotos, Wandtexte und Schauobjekte in beleuchteten Vitrinen die komplexen Zusammenhänge. Versuchslabor, Hexenküche, Lehrmittelraum und künstlerische Inszenierung im White Cube: Tue Greenfort gehört heute zu den wichtigsten Vertretern einer interdisziplinären, an der Schnittstelle von Ökologie und Ökonomie, Mensch, Natur und Umwelt operierenden Kunst. (Nicole Büsing & Heiko Klaas)

Anna Gudjónsdóttir – Sieben Ansichten von einer Wiese mit Pflaumenbaum (2003)

Anna Gudjónsdóttir, geb. 1960 in Reykjavik, lebt in Hamburg.

Auf einer baumbestandenen Wiese wurde der natürlichen Vegetation ein knorriger Pflaumenbaum aus Bronze hinzugefügt.

Der zweite Teil der Arbeit ist ein panoramaartiges Ölgemälde von dieser Szenerie, das sich auf dem Dachboden eines nahegelegenen Bauernhauses befindet. Für die Betrachter von Landschaft, „Baumimplantat“ und Malerei entsteht ein raffiniertes Wechselspiel von natürlichem Vorbild und künstlerischem Abbild.

Katalog: OUTLOOK. Landschaftsbezogene Kunstprojekte in der Lüneburger Heide. Rupprecht Matthies, Peter Pommerer, Anna Gudjonsdottir, Michael Asher, Job Koelewijn, Stefan Kern, Dragset & Elmgreen. Text: von Raimar Stange, Ralf Christofori, Belinda Grace Gardner, Lorenzo Benedetti, Eva Linhart, Stefanie Sembill, Dirck Möllmann, Bettina v. Dziembowski, revolver – Archiv für aktuelle Kunst, 2005. 66 S. € 20 / Mitgl. € 15